Salzburger Stier

2008

Preisträger:innen

Rainald Grebe ist einer der Urenkel des Dadaismus. Er ist unkorrekt, witzig, lustig und – das kommt selten vor – perfekt im eigenen Chaos. Sein neues Programm, für das er mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet wird, heißt schlicht: «Das Robinson Crusoe Konzert». Seine Begründung dazu: «Der Abend könnte auch heißen: Das Soloprogramm. Denn Robinson Crusoe ist solo. Und das ist sein Programm.» Und damit auch ein ganz typisches Programm für den aus Köln stammenden Theatermann.

Rainald Grebe, Jahrgang 1971, ist Autor, Dramaturg, Schauspieler, Regisseur, Comedian und Liedersänger – ein Tausendsassa. Außerdem ist er noch ein erfolgreicher Puppenspieler und das sogar mit einem Diplom der «Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin». Nach ersten wahrhaft legendären Bühnenauftritten beim Quatsch Comedy Club in Hamburg verließ das Multitalent die Kleinkunst kurzfristig wieder und ging als Dramaturg und Regisseur an das Jenaer Theaterhaus. Nebenbei präsentierte er dann aber 2004 sein erstes eigenes Stück, das «Abschiedskonzert», und wurde damit zum Star – wiederum auf deutschen Kleinkunstbühnen. Von Anfang an begeisterte er sein Publikum, stets bewundert für seine ganz eigene Bühnenperformance und sein anarchistisches Entertainment. Zahlreiche Musik- und Buchprojekte folgten, die wie seine Bühnen-Programme, durch eine völlig eigene komisch-melancholische Weltsicht unnachahmlich sind.

Wenn Rainald Grebe nicht solo unterwegs ist, dann tourt er mit seiner «Kapelle der Versöhnung» und spielt «Volksmusik» – so der Programmtitel seines zweiten aktuellen Programms.

«Lyrik mit Heimtücke ... sublimer Blödsinn mit wetterfester, tragischer Grundierung.»
Der Spiegel im März 2006

Wer spricht schon gerne über Geld – vor allem, wenn es in der eigenen Brieftasche längst nur mehr als Zitat vorhanden ist, in Form einer überbelasteten Kreditkarte. Ludwig Müller tut es: Angesichts der eigenen finanziellen Misere hat sich der Kabarettist in seinem neuen Solo «Total brachial» auf das heikle Terrain der finanziellen Unwegsamkeiten begeben. Sein Dilemma begann schon zu Beginn der 90er Jahre. Damals entschloss sich Ludwig Müller, nicht Jurist sondern Künstler zu werden. Eine folgenschwere Entscheidung.

Mit einem Kaleidoskop sprachlicher Miniaturen erspielte sich Ludwig Müller bereits 1995 den Publikumspreis beim Grazer Kleinkunstwettbewerb. Seither setzt er in seinen Programmen stets auf den kreativen Umgang mit Wörtern und Sprache. Diese Vorliebe ließ ihn auch über die Grenzen des Kabaretts hinaus aktiv werden. Als «Ludmilla Laskova» lud er Kolleginnen und Kollegen in seinen poetischen Salon, er siedelte Kleinkunst-Soaps im Ärztemilieu an, verfasste ein Power-Trainingsbuch für zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen und ist ehrenwertes Mitglied im Verein der Freunde des Schüttelreimes.

Für sein Solo «Total brachial» hat Ludwig Müller mit der in die finanzielle Schräglage geratenen Bühnenfigur einen Erzähler geschaffen, der spöttisch die Finanzierbarkeit einer künstlerischen Existenz hinterfragt. Mit viel Spaß am Detail zeigt er die satirische Gratwanderung des Kabarettisten zwischen Bedürftigkeit und Gier, zwischen Existenzangst und Lebenstüchtigkeit. Und Ludwig Müller stellt wichtige Fragen, wie: «Bekomme ich meine Maut zurück, wenn ich auf der Autobahn zurückschiebe...?»

Franz Hohlers «grösstes Talent» ist es, «der Bestie Wirklichkeit in die Augen zu schauen, ihren Medusenblick auszuhalten und dabei heiter zu bleiben, optimistisch. Franz Hohler ist ein realistischer Phantast oder ein phantasiegesegneter Realist, jedenfalls kann man bei ihm nicht das eine ohne das andere haben.» So formuliert es der Schriftsteller Urs Widmer.

Franz Hohler ist ein virtuoser Alleskönner. Seine kabarettistische Karriere nahm ihren Anfang 1965 mit dem musikalisch-satirischen Programm «pizzicato» im Heizungskeller der Universität Zürich. Von dort aus führte sein Weg sehr schnell auf die renommiertesten Kabarettbühnen Deutschlands und dann weiter durch ganz Europa, durch Nordafrika, Lateinamerika, Indien und die USA.

Wenn Franz Hohler in den letzten Jahrzehnten unterwegs war, hatte er entweder sein Cello und eines von 14 Soloprogrammen im Gepäck oder seine Bücher: Kurzgeschichten, Gedichte, Novellen, Romane, Sprachspiele, Kinderbücher. Keine literarische Gattung ist Franz Hohler fremd. Und auch kein Medium: Theaterstücke, Filmdrehbücher, Radio- und Fernsehsendungen sind seiner unerschöpflichen Phantasie entsprungen.

Der «Bestie Wirklichkeit» auch ausserhalb der Bühne entschlossen die Stirn zu bieten, hat Franz Hohler politische Anfeindungen, aber auch viel Bewunderung eingebracht. Früh schon, 1973, erhielt er den Deutschen Kleinkunstpreis, spät erst, 2005, den Kunstpreis der Stadt Zürich.

Jetzt hat sich Franz Hohler entschlossen, die Kabarettbühne nach über 40 Jahren zu verlassen. Diesen Abschied des Kabarettisten – nicht des Autors Franz Hohler! – nimmt die Jury des Salzburger Stiers zum Anlass, den einzigartigen Künstler zu würdigen und ihm den Ehrenstier 2008 zu überreichen. Den Salzburger Stier hat Franz Hohler 1982 mit aus der Taufe gehoben, als er in der Rolle eines Paten den ersten Schweizer Preisträger, Joachim Rittmeyer, dem internationalen Radio-Publikum vorstellte.

Galaabend

Preisträgerabend